Die Geschichte des Depots in Skierniewice
Die geringen Leistungen der ersten Dampflokomotiven machten es notwendig, Lokdepots in nicht allzu großen Abständen zu platzieren. Zugunsten einer vernünftigen Betriebsabwicklung sollten sie daher an den Knotenpunkten entstehen. Diese zwei Bedingungen erfüllte der 65 km von Warschau entfernt liegende Ort Skierniewice sehr gut. Von Warschau kommend gabelte sich hier die Strecke in Richtung Lowicz und Rogow. Von Rogow wiederum verlief die Strecke bis zur damaligen Grenze.
Vom ersten Gebäude ist bis heute lediglich der unveränderte Standort (gegenüber den damaligen Bahnsteigen des sog. Zarenbahnhofs) und ein Stück Mauerwerk geblieben. Die Pläne oder Beschreibungen des ersten Depots aus dem Jahr 1845 sind uns leider nicht bekannt. Die ersten jetzt zur Verfügung stehenden Erwähnungen stammen aus dem Jahr 1858, in dem bereits Modernisierungen in größerem Umfang vollzogen wurden. In der ehemaligen Schmiede richtete man zur damaligen Zeit Übernachtungsräume und Wohnungen ein. Man baute auch einen neuen Wasserturm mitsamt Pumpwerk. Dieses Gebäude ist bis heute als sog. „Łaźnia”; bei der Brücke über dem Fluß Lupia erhalten geblieben. Die Berichte aus diesem Jahr erwähnen darüber hinaus einen Dampflok- und Waggonschuppen, Kohlenlager und eine Drehscheibe.
Am 7. Dezember 1861 wurde zwischen der Warschau-Bromberger Eisenbahn DZWB (von Łowicz über Aleksandrów bis zur preußischen Grenze) und der Warschau-Wiener Bahn ein Vertrag hinsichtlich der Betriebsabwicklung durch die DZWB bis Skierniewice geschlossen, der das Kopfmachen und die Zugbildung regelte. Aus diesem Grund erfolgte der intensive Ausbau des Depots. 1861 setzte man eine Drehscheibe mit einem Durchmesser von 12 Metern ein. Ein Jahr später ist ein weiterer Schuppen mit acht Ständen entstanden, der wahrscheinlich auch den Ansatz des heutigen Ringlokschuppens bildet. Ein Teil der alten Remise wurde für Wohn- und Verwaltungszwecke bestimmt. Im Jahre 1865 baute man vier neue Stände hinzu und bereits 1871 folgten ihnen weitere vier. Den Ausbau setzte man noch in den Jahren 1874-75 und 1879 fort, bis die Anzahl von 24 Ständen erreicht wurde. Zugleich modernisierte man auch Reparaturgruben, Wasserleitungen, Kohlenaufzüge und andere Einrichtungen. Natürlich wurden auch die Kohlenlager vergrößert (1868 und 1871).
Im Jahre 1871 vergrößerte man den 1858 gebauten Wasserturm, indem man das Gebäude verlängerte, zwei weitere Wasserbehälter und eine neue Dampfmaschine einsetzte. Bereits neun Jahre später erwies sich der Bau einer neuen Pumpstation als Notwendigkeit. Das am Flussufer platzierte Pumpwerk, das bis heute erhalten geblieben ist, bestand aus zwei Dampfkesseln von Dupuis und zwei Dampfmaschinen mitsamt Pumpen der Firma Borsig. Bei der Station wurde ein neuer Wasserturm gebaut, der 1914 zerstört wurde. Das alte Gebäude diente fortan als Waschraum (sog. „Łaźnia”) für Bahnangestellte. Diese Funktion übte es über 99 Jahre aus. Auf diese Art und Weise wurde die Gestaltung der westlichen Seite der gesamten Depotanlagen vollzogen, wie sie nach einigen Modernisierungen bis heute bestehen ( siehe Landkarte ).
Aus der Zeit zwischen 1887 bis 1914 gibt es keine Hinweise auf im Depot vorgenommene Investitionen.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs fiel der Skierniewicer Schuppen als wichtiger strategischer Knotenpunkt der Taktik der verbrannten Erde im Angesicht der russischen Armee zum Opfer. Am 21. Oktober 1914 wurden auf Befehl von General Ludendorff alle Gebäude und Einrichtungen gesprengt bzw. niedergebrannt. Erneute Zerstörungen erlitt das Depot im Dezember 1914, als die russischen Truppen den Rückzug angetreten hatten. Dabei nahmen sie die Fahrzeuge, die Maschinen und die Dokumentation mit. Die in den Jahren 1914-1915 in der Nähe von Skierniewice verlaufende Front behinderte den Wiederaufbau.
Nach dem Ersten Weltkrieg war der Lokomotivschuppen einer der ersten wiederaufgebauten Objekte im Bereich der gesamten Station. Eine normale Betriebsabwicklung erforderte in den nächsten Nachkriegsjahren die möglichst schnelle Einrichtung der Werkstätten für die Instandhaltung der Fahrzeuge, denen der soeben beendete Krieg sowieso hart zugesetzt hatte. Weil der Warschau-Wiener Bahn nahezu von Anfang an die Rolle der Haupt- und Transitstrecke zugeteilt wurde, gewann das Skierniewicer Depot stark an Bedeutung, nicht zuletzt, weil es an dem Knotenpunkt liegt. Es wurde zum Hauptdepot aufgewertet, das den Güterverkehr zwischen Warschau und Piotrkow und den Nahverkehr abwickeln sollte. Es diente aber auch zum Wenden der aus Kutno kommenden Loks.
Der neue Ringlokschuppen mit insgesamt 23 Ständen wurde auf den Fundamenten und aus den Ruinen des alten wiederaufgebaut. Die nicht zerstörten Fragmente der Außen- und Frontwände beim Ausfahrtsgleis nach Lowicz integrierte man in das neue Gebäude. Der Durchmesser der Drehscheibe mit Handantrieb betrug 16,75 Meter. Die Anbauten (ehem. 1. Lokomotivstand) beherbergten das Büro des Leiters, den Lokführeraufenthaltsraum, eine kleine Werkstatt und ein Lager des Monteurs.
Die mechanischen Werkstätten befanden sich in einem getrennten Gebäude, dessen Grundriss, aus der Vogelperspektive gesehen, dem Buchstaben L ähnelte. Sie wurden in der Nähe des Ringlokschuppens gebaut. Etwas weiter östlich stand das vermutlich zweistöckige Verwaltungsgebäude mit den Übernachtungsräumen für die Zugbesatzungen. Das Kohlenlager war halb so groß wie heute, hatte Zentralanordnung und besaß eine Waggondrehscheibe, von der sternförmig 5 Gleise ausgingen.
Die Indienststellung neuer und leistungsfähigerer Dampflokomotiven der Baureihen Tr21 und Ty23 wie auch die Modernisierungsarbeiten der Depots in Piotrkow und Kutno trugen dazu bei, dass Skierniewice immer mehr an Bedeutung verlor. Bei den nach Gdynia und Gdansk fahrenden Zügen fiel somit das umständliche Kopfmachen in Skierniewice aus. Im Jahre 1925 wurde es „nur noch” als Depot zweiter Klasse betrachtet.
Am 1. Januar 1934 waren in Skierniewice insgesamt 35 Dampfrösser stationiert; eineinhalb Jahre später verringerte sich die Anzahl der Lokomotiven auf 26. Im Jahre 1939 wurde das Skierniewicer Depot zum Hilfsdepot degradiert, das lediglich 16 Maschinen der Baureihen Od2, OKl27, Ti4, Tp2 und Tp4 beheimatete, die meistens lokale Personen- und Sammelgüterzüge sowie Rangierfahrten versahen. Man führte hier auch Wartungsarbeiten und kleine Reparaturen an den Loks durch.
Diese Situation änderte sich unerwartet durch den Zweiten Weltkrieg, der die Verkehrsströme sowie die gesamte Verkehrslage grundlegend verändert hat. Schlagartig stieg die Beförderung von Personen und Gütern auf der West-Ostachse, nachdem Deutschland die UdSSR angegriffen hatte. Darüber hinaus benutzte man die alte Warschau-Wiener Bahn zur Beförderung der schlesischen Kohle in Richtung Warschau. Deshalb wurde beschlossen, den Schuppen auch für die schwereren Baureihen (58, Ty23 und später 52 und 42) entsprechend herzurichten. Es sollten Wartungsarbeiten und Schadensbehebung an den etwas größeren Loks möglich sein.
Für die größere Unabhängigkeit von Kohlentransporten aus Schlesien, die manchmal mit Verzögerung angekommen waren, wurden in den Jahren 1940-41 die Kohlenlager vergrößert. Man baute zwei Betonkohlenlager, die 9000 Tonnen fassen konnten und mit drei mechanischen Kohlenaufzügen vom System Teudloff ausgerüstet waren. Zeitgleich vergrößerte man auch den Ringlokschuppen. Man wechselte hierfür auch die vorhandene Drehscheibe zugunsten einer größeren von 20 Metern Durchmesser aus. Zudem wurden die Außenwände so verlagert, dass die jeweiligen Lokstände eine Gleislänge von 27 Metern erreichen konnten. Somit konnten hier auch die längsten Loks gedreht und im Schuppen beherbergt werden. Dabei wurde auch die Maschinenhalle errichtet mitsamt dem Werkstatt- und Sozialgebäude, worin sich unter anderem die Schmiede, die Gießerei und im ersten Stock die Wasch- und Umkleideräume befanden.
Anstelle der alten Werkstätten entstanden im Jahre 1942 zwei Gebäude: ein Ersatzteillager und ein mehrstöckiges Verwaltungsgebäude, worin Büros, Mensa und Übernachtungsräume untergebracht waren. Der umfangreiche Ausbau der Infrastruktur wurde mit der Errichtung der Trafostation, der Sandtrockenanlage, den Reinigungskanälen und den Wasserkränen vollendet. Für den Fall, dass die Drehscheibe zerstört wurde, baute man das Gleisdreieck zum Drehen der Lokomotiven.
Alle Gebäude wurden im modernen Stil mit Ziegeln gebaut und zwar nach genormten Entwürfen, die von der Generaldirektion der Ostbahn mit Sitz in Krakau erarbeitet wurden. Anstelle der heutigen Garagen entstanden damals Holzbaracken, die an den Ringlokschuppen angeschlossen waren. Dort fand eine Abteilung der Werkstätten (Schlosserei, Kesselreparaturraum usw.) ihre Unterkunft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Holzbaracken ursprünglich den Bauarbeitern als Notunterkünfte gedient haben.
Nach der Modernisierung standen in Skierniewice insgesamt 50 Dampflokomotiven, vorwiegend der Baureihe 58 (polnische Bezeichnung Ty1), die dann gegen polnische Ty23 ausgetauscht wurden. Im Nahverkehr benutzte man die betagten preußischen Maschinen der Baureihe 13 (polnische Bezeichnung Pd5).
Nach der Elektrifizierung aller in Skierniewice zusammenlaufenden Strecken blieben im Depot nur noch leichtere Dampfloks, die den Rangier- und leichten Güterverkehr abwickelten (Ty2, Tr203 und OKl27). Sein Gnadenbrot bekam das Depot auch dank der Spezialisierung auf die Reparatur von Dampfloks für die Industrie und die Zentrale Staatsbahndirektion (Centralna DOKP). Jährlich wurden hier über 70 Maschinen instandgesetzt. Im Jahre 1970 wurde die erste Diesellok von Kutno nach Skierniewice delegiert.
Das Jahr 1980 brachte wichtige Veränderungen in der Betriebsabwicklung im Depot mit sich. Mit dem zweigleisigen Ausbau der Strecke nach Lowicz musste die Drehscheibe wegen ungünstiger Platzverhältnisse etwas weichen. Da aber die Drehachse der Drehscheibe und die Gleise zu den Schuppenständen nicht zu verlegen waren, entschied man sich für eine nicht allzu oft vorkommende Lösung: es wurde nämlich eine asymmetrische sog. Sektorendrehscheibe mit nicht vollem Drehwinkel gebaut.
1983 begann die über mehrere Jahre hinweg fortschreitende Modernisierung der auf dem Gelände befindlichen Objekte. Der Grund dafür ist die Einführung neuer Traktionsarten. Das ursprüngliche Aussehen wurde dadurch weitgehend verändert. In dieser Zeit befestigte man das Gelände mit Betonplatten und zäunte es ein. Es wurden auch Garagen für Autos und das Häuschen am Tor für die Torwache gebaut. Im einstigen Bad wurde 1988 das Öl- und Schmierstofflabor errichtet. Hölzerne Einfahrttore im Lokschuppen wurden durch die eisernen ersetzt. Die Fassaden aus Verblendsteinen übermalte man leider mit Emulsionsfarbe. Ein Jahr später begann die Elektrifizierung des Zufahrtsgleises und des Gleises vom Stand 2. (Derzeit ist die Oberleitung demontiert.)
Mitte 1987 gab es in Skierniewice 15 Elektrolokomotiven der Baureihe ET21. Ende 1988 wurde ein Teil von ihnen durch modernere ET22 ersetzt. Der Dieselbetrieb war hauptsächlich durch die Baureihe SM42 vertreten. Dennoch beteiligte sich die Skierniewicer Lokeinsatzstelle nicht an der Abwicklung des Fern- und Transitverkehrs. Vielmehr waren die hiesigen Maschinen in Arbeitszügen, im Rangierverkehr und im leichten Güterzugdienst eingesetzt. Dieselloks waren hier 1991 mit nur 24 Maschinen vertreten. Im Jahre 1989 haben die hiesigen Dampfrösser ihren Streckendienst beendet.
Die allmähliche Verringerung des Verkehrs war der Grund dafür, dass man auch Extraarbeiten angenommen hat. Fortgesetzt wurden die Modernisierung von Werkstattanlagen für neue Fahrzeuge (darunter auch für andere Depots) und die Herstellung von Ersatzteilen. Man baute um und wartete Waggons für Oberleitungswartungszüge. Weiterhin wurden Dampflokreparaturen für die ganze Bahndirektion durchgeführt. Doch der Überschuss an Lokomotiven in Zusammenhang mit einem immer mehr schrumpfenden Aufgabenbereich nahm alle Hoffnungen auf eine weitere Entwicklung, ja sogar auf das Überleben des Skierniewicer Depots. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil es im nahen Umkreis in Warschau, Kutno, Lodz und Piotrkow Trybunalski große Depots gab. Am 31. Oktober 1991 wurde das Skierniewicer Depot nach 146 arbeitsreichen Jahren als selbstständige Organisationseinheit aufgelöst. Für die Zeit, in der Geräte und Einrichtungen demontiert werden sollten, ordnete man Skierniewice der MD Odolany als Außenstelle zu.
Sobald die Einstellung des Betriebes im MD Skierniewice entschieden war, ergriff Polskie Stowarzyszenie Milosnikow Kolei (Polnischer Verein der Eisenbahnfreunde) die Initiative, die Aufarbeitungsbasis für historische PKP-Fahrzeuge im ältesten Depot auf der Warschauer-Wiener Bahn zu schaffen. Damals war ohnehin das 150. Jubiläum der polnischen Eisenbahn aktuell. Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage verzichtete die PKP allerdings endgültig auf das Betreiben des Skierniewicer Depots. Somit bestand die reale Gefahr, dass die Depotgebäude entweder abgerissen oder anderen, nicht bahngerechten Zwecken angepasst wurden.
Angesichts dessen nahm der PSMK mit Hilfe der Zentralen Bahndirektion (Centralna DOKP) und der Generalverwaltung der PKP die Sicherstellung des Depots durch die Gründung eines aktiven Eisenbahnmuseums vor. Es ist leider nicht gelungen, alle technischen Einrichtungen vor der Verschrottung bzw. der Ausfuhr in andere Depots zu bewahren.
Zeitgleich erfolgte das Sammeln der vom PSMK ausgesuchten Exponate: Lokomotiven, Waggons, alte Signalanlagen und andere Bahneinrichtungen, die in allen Ecken Polens schon auf ihr definitives Ende gewartet haben und nun gerettet werden konnten. Weiter räumten die Mitglieder des PSMK das Gelände auf, sicherten die Gebäude vor Einbrechern und entfernten die Folgen des Wandalismus.
Dank der Bemühungen von PSMK-Mitgliedern und dem Verständnis der Denkmalschutzbehörde wurde 1994 der gesamte Depotkomplex in das Register der denkmalgeschützten Objekte eingetragen. Erst dann hörte die ab 1992 fortschreitende Liquidation tatsächlich auf.
Die Zukunft dieses historischen Ortes ist fortan mit den Funktionen der Geschichtspflege und der Vermittlung der polnischen Bahntradition eng verbunden. Dieses Ziel wird durch allmähliche Renovierung der Gebäude und Anlagen verfolgt, darüber hinaus verabstaltet der Verein Ausstellung zur Fahrzeug- und Bahntechnik.
Die PSMK-Mitglieder wünschen sich, dass das Depot, das seit fast 170 Jahren in der kulturellen Landschaft der Region eingebettet ist, weiterhin ihr fester und lebendiger Bestandteil bleibt.